Bundesligafinale 2000
Deutsche Mannschaftsmeisterschaft

12. November 2000 Frankfurt am Main

   

 

Berichte:

Artikel vom 13. November 2000 / Berliner Zeitung

SCB-Turnerinnen gewinnen Titel

Für eine Überraschung sorgte die Frauenriege des SC Berlin in Kalbach beim Bundesliga-Finale im Kunstturnen. Das Berliner Sextett Katja Abel, Anne Fomin, Gritt Hofmann, Anja Koch, Monique Prehl und Sandra Volkmann gewann mit 138,638 Punkten vor Titelverteidiger Turnteam Köln (135,250) die deutsche Meisterschaft. Die Kölner mit der deutschen Mehrkampfmeisterin Birgit Schweigert und der Zweiten, Lisa Brüggemann, hatten zuvor die Qualifikation klar für sich entschieden.


Artikel vom 13. November 2000 / Frankfurter Rundschau

Zukunft am Schwebebalken in der Schwebe

Kaum Hoffnung auf bessere Zeiten bei deutschen Kunstturnerinnen

/ Noch-Teamchef Koch Übt Kritik/ SC Berlin Meister Von Katja Sturm

Gerade eben hatte sich Katja Abel vom Sprungpferd abgedrückt, Bruchteile von Sekunden später landete sie im sicheren Stand. Und noch als sie pflichtgemäß den Kampfrichterinnen an diesem, ihrem abschließenden Gerät im Bundesliga-Finale der Kunstturnerinnen in Frankfurt einen letzten höflichen Gruß zukommen ließ, wendete sich Wolfgang Riedel ab. "Das war's !", konstatierte der Trainer des SC Berlin, für den die 17 Jahre alte Nationalturnerin Abel auf Punktejagd gewesen war. "Mehr können wir nicht tun." Und warum auch ? Schließlich langten die insgesamt 138,638 Punkte den Geräteakrobatinnen aus der Hauptstadt, um nach drei Jahren den Deutschen Mannschaftsmeistertitel wieder an sich zu reißen, ihn den Titelverteidigerinnen vom Turnteam Toyota Köln (135,25), für die zu dem Zeitpunkt noch zwei Übungen ausstanden, aus den Händen zu nehmen. Allein mit dem Sieg in der inoffiziellen Einzelwertung durch Birgit Schweigert (37,00) durften sich die Kölnerinnen ein wenig trösten. Die Deutsche Vierkampf-Meisterin konnte trotz eines Sturzes am Boden die für den drittplatzierten TV Baumbach (134,40) startende rumœnische Medaillengewinnerin der Junioren-EM in Paris, Silvia Stroescu (36,588), auf Rang zwei verweisen.

Die parallel zum Endkampf der Bundesliga, die, weil nur aus jeweils einem Vorkampf und einem Finale bestehend, diesen Titel eigentlich gar nicht verdient, ausgetragene Kaderüberprüfung brachte zumindest für den noch amtierenden Teamchef Dieter Koch "keine neuen Erkenntnisse". Ein Jahr nach Verpassen der Mannschaftsqualifikation für die Olympischen Spiele in Sydney, drei Monate nach der Entscheidung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), keine deutsche Einzelturnerin nach Sydney zu schicken, sieht das Kunstturnen der Frauen hierzulande nicht nur was die Förderung angeht einer düsteren nahen Zukunft entgegen.

"Im Nachwuchsbereich tut sich nichts wirklich Neues", erklärt Koch. Außer der 15-jährigen Daria Bijak aus Greven, die seit Jahren ihre Altersklasse auf nationaler Ebene dominiert und ab 2001 international bei den Aktiven startberechtigt ist, biete sich niemand für einen Sprung in den Kader für die kommenden Weltmeisterschaften im belgischen Gent an. Und auch dahinter stecke nicht das Potenzial, das die derzeitigen Leistungsträgerinnen hätten. So wird, wer auch immer dann für das deutsche Team verantwortlich zeichnet, erst einmal auf die bewährten Athletinnen zurückgreifen müssen. Koch wird das aller Voraussicht nach nicht mehr sein. Der Deutsche Turner-Bund (DTB) wird, obwohl es bereits mündliche Zusagen gegeben haben soll, den Kontrakt mit ihm als Teamchef nicht mehr verlängern. "Warum, weiß ich noch nicht so richtig", sagt Koch. "Aber formal heißt es wegen Erfolglosigkeit", was er so "nicht im Raum stehen lassen will". Schließlich hätte man ihm - trotz seines unschönen Auftritts bei einer Pressekonferenz - nach der WM in Tianjin das Vertrauen ausgesprochen, und bei der EM ein halbes Jahr später in Paris hätten die deutschen Turnerinnen, unter anderem mit einem zwölften Platz im Mehrkampf, "das beste Ergebnis seit der Wiedervereinigung" eingeturnt, nur ganz knapp "die astronomisch hohen Kriterien" des NOK verpasst. Darüber hinaus hœtte Koch selbst sich, wären ihm die Pläne des DTB früher mitgeteilt worden, "beruflich anders orientieren können", sich von der Schule, an der er als Lehrer tätig ist, nicht erneut freistellen lassen.

Doch ob Teamchef oder nicht, Dieter Koch übt harsche Kritik an der derzeitigen Situation im deutschen Kunstturnen. Vor der EM hœtten alle an einem Strang gezogen, sich regelrecht zusammengerauft, jetzt aber hänge man in der Luft, keiner wisse, wie es weitergehen soll, von Seiten des Sportdirektors Wolfgang Willam kömen nur ungenaue Informationen. Wenn man "Anschluss an die erweiterte Nationen-Wertung behalten will", müsse man die Kräfte so schnell wie möglich bündeln, die Turnerinnen öfter zu Lehrgängen zusammenziehen, sie sich miteinander vergleichen lassen und permanent Leistungskontrollen durchführen.

Hoffnung auf eine Besserung der Situation setzt Dieter Koch in die Wahlen am kommenden Wochenende beim Deutschen Turntag in Leipzig, wo voraussichtlich der Schwabe Rainer Brechtken den bisherigen DTB-Präsidenten Jürgern Dieckert ablösen wird. Von diesem erhofft sich auch Dieter Kochs Frau Ulla "Signale für den Spitzensport". Die bisherige Vorsitzende des Technischen Komitees Kunstturnen Frauen wird selbst nicht mehr für einen Posten im neu zu besetzenden Fachausschuss für das Gerät- und Kunstturnen zur Verfügung stehen. Nach acht Jahren Tätigkeit hat sie resigniert, auch "vor der Unprofessionalität, mit der beim DTB mit Ehren- und Hauptamtlichen umgegangen wird". Sie stelle sich die Frage, "ob man es in unserem System noch verantworten kann, dass Turnerinnen 25 bis 30 Stunden Training auf sich nehmen". An ihrem bisherigen Engagement als Trainerin wird sich jedoch nichts ändern. "Ich liebe diesen Sport", sagt sie, "und die Turnerinnen, die verrückt genug sind, ihn auf sich zu nehmen, die werde ich dabei unterstützen."

[ document info ] Copyright © Frankfurter Rundschau 2000 Dokument erstellt am 12.11.2000 um 23:56:56 Uhr Erscheinungsdatum 13.11.2000

Ergebnisse: - Finale -

Sprung
Barren
Balken
Boden
Gesamt
1.
SC Berlin
35,838
33,200
35,150
34,450
138,638
2.
Turnteam Toyota Koeln
35,550
34,250
32,750
32,700
135,250
3.
TV Baumbach
34,450
32,500
33,850
33,600
134,400
4.
TUG Leipzig
34,225
32,350
32,200
33,200
131,975

 

SC Berlin
Jg
Sprung
Barren
Balken
Boden
Gesamt
Katja Abel
83
9,275
9,200
9,250
8,750
36,475
Anne Fomin
86
8,988
6,800
7,250
8,700
31,738
Gritt Hofmann
80
9,100
09,100
Anja Koch
86
9,000
7,950
8,400
8,850
34,200
Monique Prehl
86
8,200
08,200
Sandra Volkmann
87
8,550
7,850
8,400
8,150
32,975
1.
35,838
33,200
35,150
34,450
138,638

 

Turnteam Toyota Köln
Jg
Sprung
Barren
Balken
Boden
Gesamt
Lisa Brüggemann
84
4,100
9,500
7,500
8,800
29,900
Eva Dollinger
83
9,100
8,150
17,250
Claudia Jansen
82
8,850
7,550
6,500
7,700
30,600
Pia Rompf
87
8,400
7,600
7,600
7,500
31,100
Birgit Schweigert
82
9,200
9,600
9,500
8,700
37,000
2.
35,550
34,250
32,750
32,700
135,250

 

TV Baumbach
Jg
Sprung
Barren
Balken
Boden
Gesamt
Nina Becker
84
8,225
8,000
8,100
24,325
Camilla Ermert
86
8,913
7,700
8,050
9,250
33,913
Katja Gerhardt
71
6,400
06,400
Christina Hammerle
86
7,300
8,000
15,300
Jennifer Seifert
87
7,525
7,900
15,425
Silvia Stroescu
87
9,238
9,500
9,600
8,250
36,588
Kerstin Vöglin
85
8,000
8,200
7,250
23,450
Vivien Wymelka
85
8,075
08,075
3.
34,450
32,500
33,850
33,600
134,400

 

TuG Leipzig
Jg
Sprung
Barren
Balken
Boden
Gesamt
Doreen Brendel
85
8,413
8,400
8,450
8,300
33,563
Ilka Burkert
84
8,300
7,700
6,950
7,550
30,500
Franziska Graupner
82
6,900
6,300
7,850
21,050
Yvonne Musik
85
8,563
7,850
8,100
8,300
32,813
Conny Schütz
84
8,950
8,400
8,700
8,750
34,800
4.
34,225
32,350
32,200
33,200
131,975

Impressionen

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Berlin

Baumbach